Der Begriff, bzw. die Redewendung des „schwarzen Schafs“ entstand deshalb, weil sich bei Schäfern die schwarze Wolle eines Schafes nicht so gut verkaufen ließ. Sie galt als außergewöhnlich und weniger wert, der Schäfer achtete auf das Wohlergehen der weißen Schafe und sonderte die schwarzen Schafe aus.
In vielen Familien kristallisiert sich oft ein „schwarzes Schaf“ heraus. Denn dieses Mitglied gilt als „Außenseiter*in, es ist einfach „anders“. Es handelt in vielen Anforderungen des täglichen Lebens nicht berechenbar und viele Aktionen werden als negativ angesehen.
„Du schon wieder!“ Oder: „War doch klar, dass er*sie so handelt.“ Er*Sie zieht einfach alle negativen Dinge an – wie die Licht die Motten.
Oft dient das „schwarze Schaf“ in der Familie auch dazu, um eigene Fehler, Versagen oder Hilfsbedürftigkeit zu vertuschen und auszulagern.
Vielleicht war das Kind ungeplant und unerwünscht, vielleicht wird es für das eigene verkorkste Leben verantwortlich gemacht, vielleicht finden die Eltern sich mit der entsprechenden Rolle nicht zurecht. Vielleicht fehlt es an finanziellen Mitteln, an Zeit oder an persönlicher Bindung.
Doch statt sich die Problematik einzugestehen und Unterstützung zu holen, übertragen manche Eltern ihren Frust auf das Kind. Alleine schon die Ausgrenzung aus der Familiengemeinschaft verursacht sehr viele schmerzhafte Erfahrungen beim Kind.
Zeichen für Ausgrenzung
Die Familie zeigt sich nicht als „Team“. Eine Gemeinschaft innerhalb und ausserhalb der Familie entsteht nicht. Daraufhin erlebt das Kind eine Unsicherheit, fühlt sich alleine und im Stich gelassen.
Es herrschen keine verbindlichen Regeln, dabei spielen die Wünsche des Kindes keine Rolle, das Kind erkennt keine Kausalität darin.
Wenn das Kind Entscheidungen trifft, sind diese oft nicht altersgerecht. Es fühlt sich oft überfordert und sich sich selbst überlassen.
Das Kind erlebt, wenn Geschwisterkinder existieren, oft ungleiche Behandlung und erkennt keinen „roten Faden“ – z.B. wird das Geschwisterkind für gleiche Taten gelobt, während das Andere dafür bestraft wird. Das kann dazu führen, dass ein Kind als „Sonnenschein“ gilt, während das Andere zum Sündenbock gemacht wird. Dieses „Wissen“ nimmt das Kind, das oft zum Sündenbock degradiert wurde, mit bis ins Erwachsenenalter hinein und glaubt irgendwann dann selbst, dass irgendetwas mit ihm*ihr nicht „stimmt“. Ein negativer Kreislauf entsteht.
Oft herrscht auch ein Mangel an Respekt – den Kindern gegenüber und überhaupt in der gesamten Familie. Grenzüberschreitungen sind an der Tagesordnung und die einzelnen Familienmitglieder erleben keine Rückzugsmöglichkeiten.
Das Kind erhält die dringend benötigte Zuwendung nur, wenn es gute Leistungen oder schlechte Leistung zeigt. Ein jeder Mensch benötigt Aufmerksamkeit und auch hier gilt: Schlechte Leistungen bringen ebenso wie gute eine Form der Aufmerksamkeit.
Zuweilen ist auch die Impulskontrolle der Eltern gestört. Falls die Eltern also an dieser leiden sollten, ist es so, dass die Handlungen, die die Eltern aufgrund eigener Problematik ausführen, von den Kindern in keinster Weise begriffen werden können.
Manchmal geschieht es, dass durch die Herabwürdigung des Kindes eine Aufwertung der Eltern entsteht. Es entsteht auch, wenn kindliche Bedürfnisse permanent ignoriert werden und nicht „gesehen“ werden. All das passiert zumeist unbewusst.
Verlasst die Rolle
Wer nie Wertschätzung und Zuneigung erfährt, trägt oft bis ins hohe Erwachsenenalter ein Gefühl der Unzulänglichkeit mit sich herum. Daraus entsteht ein ausgeprägtes Mangelempfinden, Schuld- und Schamgefühle. All dies ohne wirklich zu wissen woher dieses Gefühl rührt.
Deshalb ist es wichtig, dass ein Gespräch mit der Familie gesucht wird und gewisse Themen angesprochen werden. Sehr oft ergibt sich deshalb schon ein anderer Umgang. Zudem ist es sehr hilfreich das Gespräch mit professionellen Hilfen zu suchen.
Für alle Familienmitglieder lautet die Parole: Zeigt Euch als Team, löst zusammen und gemeinschaftlich die Themen die da kommen. Findet gemeinsame Rituale und Regeln die für alle verbindlich gelten. Lasst eure Kinder mit einigen Entscheidungen (wie z.B. Social Media Konsum) nicht alleine – entscheidet gemeinschaftlich. Behandelt alle Familienmitglieder mit den gleichen, passenden Emotionen. Die Kinder bemerken sehr schnell eine Ungerechtheit. Koppelt Zuwendung nicht an Leistung – gebt sie einfach so – ohne Prämissen. Lasst die Kinder sich mit den von außerhalb schlecht bewerteten Merkmalen und Eigenschaften anfreunden. Denn dann gelingt es, dass sie sich öffnen und ihrer Einzigartigkeit und Stärke bewusst werden, sodass in einer normalen Schafherde auch schwarze Schafe willkommen sind und ihre individuellen Stärken ausüben und entwickeln können.
Herzlichst
Euer
Michael Müller